Du fragst dich, ob ein Jobwechsel mit 58 noch Sinn macht? Ich meine...noch neun Jahre bis zur Rente. Oder zehn. Je nachdem, wann du geboren bist.
Die Frage ist berechtigt. Und du bist nicht allein damit.
Ich bin seit 2018 Marketing- und Unternehmensberaterin. Studiert habe ich Betriebswirtschaftslehre und Integrierte Gerontologie. Ich kenne daher sowohl den Arbeitsmarkt auf Arbeitgebersicht, als auch Wünsche, Bedürfnisse und Herausforderungen von Menschen ab 55, die mitten im Leben stehen - und es damit nicht immer leicht haben.
Die gute Nachricht: Ein Jobwechsel mit 58 ist möglich. Die Zahlen belegen das. Aber es ist nicht für jeden sinnvoll.
In diesem Beitrag zeige ich dir die Fakten: Was spricht dafür? Was dagegen? Welche Rolle spielt der Arbeitsmarkt? Und vor allem: Wie triffst du die richtige Entscheidung für dich?
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Was bedeutet „Jobwechsel mit 58" eigentlich?
Bevor wir weitermachen, lass uns klären: Was meinst du genau?
Weil - Jobwechsel ist nicht gleich Jobwechsel. Es gibt drei verschiedene Arten. Und die Erfolgsaussichten? Die sind komplett unterschiedlich.
Variante 1: Der einfache Wechsel
Du bleibst in deiner Branche. Machst das, was du kannst. Nur bei einem anderen Arbeitgeber.
Beispiel: Du bist Buchhalterin in einem Handwerksbetrieb. Jetzt wechselst du in die Buchhaltung eines Industrieunternehmens.
Variante 2: Der Branchenwechsel
Du machst dasselbe wie bisher. Nur in einer anderen Branche.
Beispiel: Du bist Steuerfachangestellte in einer Kanzlei. Jetzt gehst du als Steuerreferentin in die Chemieindustrie.
Variante 3: Der komplette Neustart
Ganz was anderes. Neue Branche, neuer Beruf, neue Tätigkeiten.
Beispiel: Du warst 30 Jahre im Büro. Jetzt lässt du dich zur Pflegefachkraft umschulen.
Die Realität: Je radikaler der Wechsel, desto schwieriger wird es.
Ich sage nicht, dass es unmöglich ist. Aber du solltest wissen, worauf du dich einlässt.
Eine Studie der KÖNIGSTEINER GRUPPE zeigt: 40,3 Prozent der 50- bis 65-Jährigen ziehen einen Jobwechsel in Erwägung. Fast jeder Zweite.
Du bist also nicht verrückt.
Aber. In Erwägung ziehen ist nicht dasselbe wie durchziehen.
Die Frage ist: Welche Art von Wechsel willst du? Und warum?
Warum überhaupt wechseln? Die drei guten Gründe
Es gibt gute Gründe für einen Jobwechsel mit 58. Und schlechte.
Lass uns mit den guten anfangen.
Grund 1: Dein Job macht dich krank
Das ist der wichtigste Grund. Überhaupt.
Wenn der aktuelle Job deine Gesundheit belastet – körperlich oder psychisch – dann ist ein Wechsel nicht nur sinnvoll. Er ist notwendig.
Du hast noch neun Jahre vor dir. Mindestens.
Wenn du die mit Rückenschmerzen verbringst, mit Erschöpfung, im Burn-out – dann hilft dir auch die beste Rente nichts mehr.
Gesundheit geht vor. Immer.
Grund 2: Du hängst auf dem Abstellgleis
Ich sehe das oft: Keine Weiterbildungen mehr. Keine interessanten Projekte. Der Chef hat innerlich schon abgehakt, dass du bald in Rente gehst.
Das Problem? Du gehst nicht bald in Rente. Du hast noch fast ein Jahrzehnt vor dir.
Wenn du jetzt schon auf dem Abstellgleis sitzt, wird das nicht besser.
Im Gegenteil.
Die Jahre werden zäh. Und teuer – weil du vermutlich Rentenabschläge hinnehmen musst, wenn du früher rausgehst.
Grund 3: Du willst nochmal was anderes machen
Manche Menschen haben mit 58 einfach Lust auf was Neues. Sie sind fit, motiviert, neugierig.
Das ist legitim.
Aber. Sei ehrlich zu dir.
Ist es wirklich Neugier? Oder ist es Flucht vor dem aktuellen Job?
Wenn es Flucht ist, gehört das eher zu Grund 1 oder 2.
Eine Umfrage von Xing zeigt: 53 Prozent der über 50-Jährigen könnten sich vorstellen, auch nach dem Rentenalter weiterzuarbeiten.
Die meisten nennen finanzielle Gründe. Aber auch: soziale Kontakte. Selbstverwirklichung.
Das heißt: Arbeit ist für viele Menschen mehr als Geld verdienen.
Wenn du etwas findest, das dich erfüllt, lohnt sich ein Wechsel. Auch mit 58.
Die harten Fakten: Was der Arbeitsmarkt sagt
Jetzt wird es unangenehm.
Aber notwendig.
Der Arbeitsmarkt ist nicht fair. Er ist nicht neutral. Und er ist nicht freundlich zu Menschen über 55.
Lass uns die Zahlen anschauen.
Altersdiskriminierung ist real
Eine Studie von Stepstone aus 2024 zeigt: Jeder vierte Bewerber oder Bewerberin über 50 wurde explizit wegen des Alters abgelehnt.
Bei den über 60-Jährigen? Zwei von fünf.
50 Prozent der Recruiter halten Kandidat*innen ab 55 Jahren für „zu alt".
Lass dir das mal auf der Zunge zergehen: Die Hälfte der Personaler*innen sortiert dich aus, bevor sie überhaupt deine Bewerbung gelesen haben.
Das ist Diskriminierung. Das verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
Aber es passiert trotzdem.
Die Jobsuche dauert länger
Wenn du mit 58 arbeitslos wirst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du länger suchst als jüngere Menschen.
Die Zahlen vom DGB sind eindeutig:
48 Prozent der arbeitslosen Menschen über 55 sind ein Jahr oder länger arbeitslos.
Bei den 25- bis 55-Jährigen? 33 Prozent.
Die monatliche Abgangschance aus der Arbeitslosigkeit liegt bei über 55-Jährigen bei 2,97 Prozent. Bei den 25- bis 55-Jährigen bei 6,13 Prozent.
Das heißt: In einem durchschnittlichen Monat finden etwa 3 von 100 arbeitslosen Älteren einen neuen Job. Bei Jüngeren sind es doppelt so viele.
Es dauert also länger. Deutlich länger.
Aber es gibt auch gute Nachrichten:
Der Fachkräftemangel ist real.
In den nächsten zehn Jahren gehen etwa 2 Millionen ältere Menschen in Rente. Diese Stellen müssen besetzt werden.
Die Erwerbstätigenquote der 55- bis 65-Jährigen ist 2023 auf 75 Prozent gestiegen. Vor zehn Jahren lag sie noch bei 62 Prozent.
Das heißt: Mehr ältere Menschen arbeiten länger. Unternehmen gewöhnen sich daran.
Langsam.
Und: 35 Prozent der Arbeitssuchenden über 50 finden innerhalb von zwei Jahren nach Jobverlust einen neuen Job.
Das ist nicht großartig.
Aber es ist auch nicht hoffnungslos.
Wann du besser bleiben solltest
Es gibt auch Situationen, in denen ein Jobwechsel mit 58 keine gute Idee ist.
Du hast einen sicheren, gut bezahlten Job
Wenn dein aktueller Job okay ist. Das Gehalt stimmt. Der Betrieb läuft stabil. Du bist gesund.
Dann überleg es dir dreimal.
Sicherheit ist mit 58 mehr wert als mit 28.
Du hast vermutlich eine ordentliche Betriebszugehörigkeit. Das bedeutet: besserer Kündigungsschutz. Mehr Urlaubstage. Oft auch eine betriebliche Altersvorsorge.
Ein Wechsel bedeutet: Du fängst wieder bei null an.
Neue Probezeit. Weniger Sicherheit. Möglicherweise weniger Gehalt am Anfang.
Wenn du keinen triftigen Grund hast zu wechseln – lass es.
Deine finanzielle Situation ist angespannt
Ein Jobwechsel kostet Geld.
Bewerbungen schreiben. Vorstellungsgespräche. Vielleicht Weiterbildungen.
Und wenn es nicht klappt? Wenn du arbeitslos wirst?
Ab 50 Jahren bekommst du längeres Arbeitslosengeld: 15 Monate, wenn du in den letzten fünf Jahren mindestens 30 Monate gearbeitet hast. Ab 58 Jahren sogar bis zu 24 Monate.
Das ist gut.
Aber es reicht nicht ewig.
Wenn du Schulden hast. Kinder im Studium. Eine Immobilie abbezahlst.
Dann ist ein riskanter Jobwechsel vielleicht nicht die beste Idee.
Du bist einfach nur frustriert
Manchmal ist der Wunsch nach einem Jobwechsel nur eine Reaktion auf eine schlechte Phase.
Neuer Chef. Umstrukturierung. Nervige Kollegen.
Das sind keine guten Gründe für einen Jobwechsel. Das sind Gründe, erstmal abzuwarten.
Frage dich: Ist das Problem wirklich der Job? Oder ist es die aktuelle Situation?
Manchmal lösen sich Probleme von selbst.
Der neue Chef gewöhnt sich ein. Die Umstrukturierung ist durch. Die nervigen Kolleg*innen wechseln.
Gib dir sechs Monate.
Wenn es dann immer noch unerträglich ist, kannst du immer noch wechseln.
So triffst du die richtige Entscheidung
Jetzt wird es praktisch.
Du hast die Zahlen gesehen und kennst die Risiken. Du weißt, was für und gegen einen Wechsel spricht.
Wie entscheidest du jetzt?
Mach eine Bestandsaufnahme
Nimm dir ein Blatt Papier. Oder öffne eine Notiz-App.
Schreib auf:
- Warum will ich wechseln? (Die echten Gründe. Nicht die, die du anderen erzählst.)
- Was müsste der neue Job bieten, damit ich zufrieden bin?
- Was kann ich mir finanziell leisten? (Wie lange könntest du ohne Gehalt überleben?)
- Wie ist meine gesundheitliche Situation? (Kannst du den Stress eines Jobwechsels aushalten?)
- Wie sieht mein Arbeitsmarkt aus? (Gibt es in deiner Branche überhaupt Jobs für Menschen über 55?)
Sei brutal ehrlich.
Niemand sieht diese Liste außer dir.
Teste den Markt – ohne zu kündigen
Bevor du kündigst, schau erstmal, was draußen los ist.
Melde dich bei LinkedIn oder Xing an. Schau dir Stellenanzeigen an. Schreib ein, zwei Bewerbungen.
Nicht, um sofort zu wechseln.
Sondern um ein Gefühl zu bekommen: Wie reagiert der Markt auf dich?
74 Prozent der über 50-Jährigen sind offen für Umschulungen. Das heißt: Flexibilität ist gut.
Aber du musst wissen, wohin du flexibel sein willst.
Hol dir professionelle Hilfe
Wenn du wirklich wechseln willst – mach es richtig.
Die Agentur für Arbeit bietet Beratung an. Auch für Menschen, die noch in Arbeit sind.
Du kannst dort herausfinden: Welche Weiterbildungen werden gefördert? Welche Branchen suchen Fachkräfte? Wie stellst du deine Bewerbung auf?
Investiere in einen Bewerbungscoach. Juliane Pannenbäcker bietet beispielsweise einen kostenfreien 3-Fragen-Leitfaden "Bevor du kündigst" an.
Gerade wenn deine letzte Bewerbung 20 Jahre her ist, lohnt sich das.
Sei realistisch bei der Zeitplanung
Ein strategischer Jobwechsel dauert 3 bis 6 Monate.
Bei Menschen über 50? Kann es länger dauern.
Plane mindestens ein Jahr ein. Von der ersten Bewerbung bis zum Vertragsstart.
Das heißt nicht, dass du nicht früher Erfolg haben kannst.
Aber rechne nicht damit.
Und wenn du bleibst?
Manchmal ist die beste Entscheidung, zu bleiben.
Aber anders zu bleiben.
Sprich mit deinem Chef über neue Aufgaben. Frag nach Weiterbildungen. Suche dir ein Projekt, das dich interessiert.
Oft ist es einfacher, den aktuellen Job zu verbessern, als einen neuen zu finden.
Fazit: Es kommt drauf an
Jobwechsel mit 58 – lohnt sich das?
Die ehrliche Antwort: Es kommt drauf an.
Wenn dein Job dich krank macht. Wenn du auf dem Abstellgleis sitzt. Wenn du wirklich nochmal etwas Neues willst.
Dann kann ein Wechsel richtig sein.
Wenn du einen sicheren Job hast. Wenn du finanziell nicht viel Spielraum hast. Wenn du nur frustriert bist.
Dann bleib lieber.
Der Arbeitsmarkt ist nicht fair zu Menschen über 55. Das ist die Realität.
Aber er ist auch nicht unmöglich.
Die Zahlen zeigen: 35 Prozent finden innerhalb von zwei Jahren einen neuen Job. Das ist jeder Dritte.
Die Frage ist: Bist du bereit, der Dritte zu sein?
Bist du bereit, dich durchzubeißen? Bist du bereit, Absagen einzustecken?
Wenn ja – dann los.
Wenn nein – dann bleib. Es ist keine Schande, zu bleiben.
Das Wichtigste ist: Triff die Entscheidung bewusst.
Nicht aus Angst. Nicht aus Trotz.
Sondern weil du verstanden hast, was auf dich zukommt.
Das ist es, was kluges Älterwerden ausmacht: Die Realität sehen. Und dann entscheiden, was du damit machst.
Wie geht es dir in deinem Job? Bist zu zufrieden oder würdest du noch einmal wechseln wollen? Lass es mich in den Kommentaren wissen.
Genieß dein Leben.
Du hast nur eins.
Viele Grüße,
Marlis


